Umgangsvereitelung als „letzte Instanz“?

Es ist ein häufiges Thema in der familienrechtlichen Praxis: der betreuende Elternteil verweigert oder erschwert den Umgang mit dem ungeliebten Ex-Partner.


In Folge hartnäckiger Bemühungen, den Umgang einzuschränken oder ganz zu entziehen, kann es beim Kind zur Entstehung psychologischer Auffälligkeiten kommen.


Es gibt zahlreiche psychologische Erklärungsmodelle, die sich mit kindlicher Umgangsverweigerung beschäftigen. Abzugrenzen ist in diesem Zusammenhang das Parental Alienation Syndrome (PAS) von Fällen, in denen ein Kind Misshandlungen, Gewalt oder Vernachlässigungen durch einen Elternteil erfahren hat und deshalb den Umgang berechtigt verweigert – auch ist eine Abgrenzung zum „Besuchsrechtssyndrom“ vorzunehmen.


Im Folgenden möchte ich näher auf das nicht unumstrittene PAS eingehen. Dieses entwickelt sich ausschließlich dann, wenn das Kind, sei es bewusst oder unbewusst, vom betreuenden Elternteil (also von dem Elternteil, bei dem es seinen ständigen Aufenthalt hat), in einen starken Loyalitätskonflikt getrieben wird, der Umgang mit dem anderen Elternteil also massiv erschwert wird und das Kind durch seinen Wunsch, den Kontakt zum/zur nicht betreuenden Vater/Mutter zu behalten, starke Schuldgefühle entwickelt.


Es ist von außen schwierig nachzuvollziehen, wieso Konflikte, die meist aus der ehemaligen Paarbeziehung herrühren, auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden.


Zugrunde liegt bei den betreuenden Eltern oft eine durch die Trennung vom Partner ausgelöste Belastungsreaktion: Der betreuende Elternteil fühlt sich durch die Nachtrennungssituation emotional überfordert. Es kommt zu einer stärkeren Reglementierung des Kindes. Kinder geraten in dieser Situation häufig in die Rolle des Partnerersatzes – zwischen dem betreuenden Elternteil und dem Kind entwickelt sich eine symbiotische Beziehung, die mit extremen Verlustängsten des betreuenden Elternteils einhergeht. So kommt es, dass jeder Kontakt des Kindes zum anderen Elternteil, jeder Umgangskontakt, beim betreuenden Elternteil panikartige Verlustängste auslöst. Aus diesen Verlustängsten folgt z.B. die häufige Absage von vereinbarten Umgangskontakten und Besuchsterminen.


Durch zahlreiche Entfremdungsstrategien wird dem Kind ein negatives Bild vom anderen Elternteil vermittelt und das Entstehen eines intensiven kindlichen Loyalitätskonfliktes wird begünstigt und gefördert.


Dies hat häufig zur Folge, dass nicht nur der ehemalige Partner selbst, sondern dessen gesamtes soziales und familiäres Umfeld in die Ablehnung einbezogen wird – dies kann Freunde und neue Lebenspartner genauso betreffen wie z.B. Großeltern und Cousins. Die Kinder geraten häufig in eine Art „Spaltung“ und erzwungenes Schwarz-Weiß-Denken: ein Elternteil ist NUR gut oder NUR schlecht, es gibt keine Ambivalenz. Das Kind ergreift stets für den betreuenden Elternteil Partei.


Ist der Entfremdungsprozess so weit fortgeschritten, dass der betreuende Elternteil sich sicher sein kann, dass das Kind keinen eigenen Wunsch mehr nach Kontakt mit dem anderen Elternteil hat, wird häufig betont, dass das Kind selbst keinen Kontakt will, der betreuende Elternteil jedoch überhaupt kein Problem damit habe.


Der andere Elternteil wird vom betreuenden Elternteil abgewertet und es ist häufig zu beobachten, dass auch gegenüber Dritten versucht wird, den Ex-Partner in einem möglichst schlechten Licht dastehen zu lassen.


Was kann juristisch in so einem Fall unternommen werden?


Väter oder Mütter, die befürchten, dass ihr Kind vom betreuenden Elternteil instrumentalisiert wird und Entfremdung droht, sollten sich umgehend nicht nur in den dafür zuständigen Beratungsstellen, sondern auch anwaltlich beraten lassen.


Das Umgangsrecht ist ein Grundrecht des Kindes. Wenn der Umgang durch den betreuenden Elternteil vereitelt oder erschwert wird, dann kann der andere Elternteil z.B. gerichtlich einen Antrag auf Regelung des Umgangs mit dem Kind stellen.


So kann sichergestellt werden, dass Umgänge regelmäßig stattfinden und einer Entfremdung vorgebeugt wird – das Gericht wird im Umgangsvergleich immer auch eine Klausel aufnehmen, die den Elternteil, der sich nicht an die Vereinbarung hält, nötigenfalls auch mittels Zwangsgeld in die Pflicht nimmt.


Sinnvoll ist es überdies bei hochstrittigen Eltern und emotional stark vorbelasteter Elternbeziehung, die Durchführung von Elterngesprächen im Vergleich mit aufzunehmen – diese werden mittlerweile auch speziell für hochstrittige Eltern angeboten.


Eltern und den Eltern nahestehende Personen sollten sich nach einer Trennung darüber bewusst sein, dass das Kind zu dem anderen Elternteil vor der Trennung oder Scheidung ein gutes, stabiles und liebevolles Verhältnis hatte. Die eigene Kränkung aufgrund der Trennung darf nicht auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden.


Der entfremdende Elternteil ist nicht „böse“ und handelt vielleicht nicht aus Absicht so: er benötigt Unterstützung und Zuwendung - diese sollte jedoch niemals darin bestehen, Ausgrenzungsbestrebungen gegenüber dem Ex-Partner zu unterstützen (dies richtet sich auch an das soziale Umfeld des betreuenden Elternteils!). Man sollte sich bewusst machen, dass es sich bei den Anschuldigungen des betreuenden Elternteils zumeist um Projektionen handelt.


Brauchen von vermeintlichem PAS betroffene Kinder eine Therapie?


Diese Frage lässt sich in den meisten Fällen mit NEIN beantworten. Das Verhalten der Kinder gegenüber dem anderen Elternteil normalisiert sich in der Regel schnell wieder, sobald den Kindern klar gemacht wird, dass sie den anderen Elternteil verlässlich und ohne Schuldgefühle besuchen dürfen – den Kindern sollte verdeutlicht werden, dass sie sich an der gemeinsamen Zeit mit dem anderen Elternteil erfreuen dürfen.


Grundsätzlich steht dem Kind Kontakt mit beiden Eltern zu – der Wortlaut des Gesetzes geht sogar noch weiter: in § 1684 Abs.2 BGB heißt es: „Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert.“ Im Umkehrschluss folgt daraus, dass der betreuende Elternteil den Umgang mit dem anderen Elternteil aktiv zu fördern hat und auf ein gedeihliches Miteinander hinzuwirken hat.


Wird der Umgang mit Ihren Kindern vom betreuenden Elternteil verweigert? Kommt es immer wieder zu kurzfristigen Absagen vereinbarter Umgangstermine und es wird sich nicht an Absprachen gehalten? Vereinbaren Sie frühzeitig ein anwaltliches Beratungsgespräch und führen Sie den bestehenden Konflikt einer tragfähigen Lösung zu, bevor er sich verfestigt.

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